Im Süden von Lima befinden sich einige Ortschaften mit Wochenend- und Ferienhäusern, die die Limeños (sprich: Limenjos) in den Sommermonaten nutzen. Im Winter stehen die Häuser leer. Wir fahren trotzdem hin… … und nutzen die Großzügigkeit einer Freundin der Großmutter, um ein paar Tage außerhalb der Großstadt am Meer zu verbringen. Die Kinder können ja trotzdem am Strand spielen. Freilich: Autofahren ohne Kindersitz mit dem 1-jährigen Sonnenschein ist Gewöhnungssache. Stillsitzen will er nicht. Das ständige auf mir Herumtreten ist mühsam. Aber eineinhalb Stunden Fahrt gehen gerade noch, vor allem, da er dazwischen doch kurz einschläft. Die Kleinen sitzen in den ersten Jahren in Peru wie im Bus oder Flugzeug am Schoß der Erwachsenen. Sicherheit? Lieber nicht daran denken.
Eine Ferienanlage am Meer
Irgendwann führt eine schmale Schotterstraße vom Asphalt weg. Man muss sich schon auskennen, um die richtige „Ausfahrt“ zu erwischen. Die Wohnanlagen sind von hohen Mauern um geben. Neben einem großen Holztor befindet sich das Fenster zu einer Pförtnerstube. Ein Angestellter öffnet das Tor und lässt die Besucher einfahren. Der Parkplatz ist leer. Trotzdem wird das Auto korrekt an dem zum Haus gehörigen Stellplatz geparkt. Der Angestellte kommt mit einem rostigen Fahrrad-Transporter, um unser Gepäck einzuladen. Der Rost ist der Meeresluft geschuldet. Trotzdem wird in Peru selbst am Meer stur auf Eisen und Metall gesetzt. Die Zäune, Tür- und Spülknöpfe, Armaturen, Fensterrahmen oder Metallteile an Möbelstücken. Sie alle sind schnell in einem desolaten Zustand. Egal. Es wird zwar ständig kommentiert, Alternativen werden nicht gesucht oder eingesetzt.
Ich kenne die Bungalow-Anlage bereits aus dem Sommer von vor ein paar Jahren. Weiß gestrichene Häuser reihen sich schräg versetzt nebeneinander bis zum Pool. Dahinter der Strand. Der Rasen der Anlage ist gepflegt. Selbst im Winter sind Angestellte für etwaige Garten- und Putzarbeiten zuständig. Niemand würde hier selbst an Garteln zu Erholungszwecken denken. Das wird dem Pöbel überlassen. Die Ferienhäuser sind geräumiger und besser ausgestattet als die Behausungen der Dorfbewohner, die als Angestellte der Siedlungen oder als Fischer arbeiten. Es sind kleine Verschläge aus Ziegeln mit Wellblechdächern, die sich im Sommer ordentlich aufheizen, entlang einer staubigen Straße, wo die Menschen das ganze Jahr über wohnen.
Ein Paradies aus Sand
Nach dem Pool der Ferien-Wohnlage für die gehobene Mittelklasse erstreckt sich der Strand etwa 50 Meter bis zum Meer. Im Sommer ist er direkt zugänglich. Im Winter wird der Zugang von einem aus Sand aufgeschütteten Wall versperrt. Der Wall dient als Schutz vor Überflutung. Und er ist ein Paradies für den knapp 3-jährigen Wutzi!
Die Sandspielsachen sind erstmal uninteressant. Viel lustiger ist es, auf den Wall hochzuklettern und sich runterzurollen. Wie ein Duracell-Hase geht es hoch und runter. Unermüdlich. Daneben erkundet Sonnenschein neugierig den schwarzen Sand. Und Müll.
Der Strand ist übersäht von kleinteiligem Zeugs: Muscheln, Steine, Plastiksäcken und Flaschen. Manches hat wohl der Wind herbeigeweht. Anderer Müll wurde vermutlich vom Wasser an den Strand gespühlt. Mit 13 Monaten steckt der Kleine natürlich alles in den Mund, was er findet. Der aufgeschüttete Wall hält Gottseidank den Strandabschnitt direkt neben der Anlage recht sauber. Trotzdem graust mir jedes Mal, wenn er sich eine Handvoll Sand in den Mund schaufelt. Die nächste Ladung Gold in der Windel riecht dann auch ganz eigen. Aber was soll’s. Dreck fressen fördert ja angeblich die Abwehrkräfte.
Die Kinder genießen es, sich ein paar Tage im Sand auszutoben. Nur auf die andere Seite vom Wall traut sich der sonst so abenteuerlustige Wutzi nicht. „Nicht ins Wasser, Mama!“, schreit er jedes Mal, wenn ich ein paar Schritte in Richtung Meer gehe. Als ich meine Füße vom Wasser umspülen lasse, bekommt er überhaupt einen Anfall. Er hat richtig Angst vor dem Wasser. Langsam wird er sich damit anfreunden.
Andere Länder, andere Sitten
Bei einem Strandspaziergang zu dem Abschnitt, wo die Fischer am späten Nachmittag ihren Fang direkt verkaufen, kommen wir an einem toten Seelöwen vorbei. Wie lang der wohl schon daliegt? Wenn ich in Österreich im Wald ein totes Wildtier finde, rufe ich bei den Bundesforsten an. Hier bleibt das Tier einfach liegen. Als Futter für andere Tiere. Irgendwann wird es wahrscheinlich wieder ins Meer gespült. Wer für die Beseitigung zuständig ist? Solche Fragen stelle ich mittlerweile gar nicht mehr. Und im Winter kümmert es niemanden. So lange niemand zum Schwimmen oder zur Erholung kommt ist der tote Seelöwe egal. Die Dorfbewohner gehen gleichgültig an dem Tier vorbei. Andere Länder, andere Sitten. Der frischgefangene Fisch schmeckt zum Abendessen trotzdem einfach herrlich. Es gibt nichts besseres!